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3. Österreichische Triennale zur Fotografie 1999 das "Eiserne Haus"
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[Das Eiserne Haus/The "Iron House"][Kunstvermittlung/Art Settlement][Katalog/Catalogue]

english version [Geschichte/History] [Kunsthaus Graz / Graz House of Art]

Friedrich Bouvier,
Das "Eiserne Haus"



(Gekürzte Fassung)


In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Band 10, Graz 1978




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Die Murvorstadt, die Altstadt des rechten Murufers, zählt zu den ältesten der Grazer Vorstädte. Der Murplatz (heute Südtirolerplatz) bildet als westlicher Brückenkopf der Hauptbrücke trotz baulicher Eingriffe noch immer das eigentliche Entrèe zum Stadtteil am rechten Murufer in Richtung Annenstraße, Bahnhof und Eggenberg. Der Murvorstadtplatz, wie die ältere Bezeichnung lautet, steht im Zusammenhang mit der schon in der Entstehungszeit von Graz bedeutsamen Murbrücke an dieser Stelle, die durch Jahrhunderte auch die einzige im ganzen Stadtgebiet war. Im Juni 1827 zerstörte ein Hochwasser die damals hölzerne überdeckte Murbrücke, die beidseitig von ebenfalls hölzernen Krambuden gesäumt war. Die anschließend errichtete Notbrücke wurde erst 1845 durch den Bau einer Kettenbrücke ersetzt. Die Verhandlungen für diesen Brückenbau waren langwierig, da für die auf beiden Brückenköpfen notwendigen Kettenverankerungspfeiler und die im Zuge des Brückenbaues projektierte Kaistraße Gebäude abgelöst und demoliert werden mußten. So auch ein Teil der bereits beim Hochwasser 1827 schwer beschädigten Ledergerberei des J. Purgleitner und das daran anschließende Haus in der Brückenzeile, der schmalen Verbindungsstraße zwischen Murplatz und Brücke. Um nach Fertigstellung des Brückenbaues dem durch die Abbrucharbeiten gegen die Mur hin geöffneten Platz wieder einen geschlossenen Charakter zu verleihen, sah man die Neubebauung an der Nordseite der ehemaligen Brückenzeile unter Berücksichtigung der neuen Regulierungslinie vor. Gerade damals gab es in Graz einen jungen Baumeister und Fabrikanten namens Johann Benedikt Withalm, der nicht nur durch seine Beschäftigung mit dem neuen Baumaterial Eisen und den neuen Konstruktionsmethoden, die er auf seinen Studienreisen nach Italien und Deutschland kennengelernt hatte, von sich reden machte, sondern dessen höchst eigenwilliger Bau, das "Withalm´sche Coliseum", auch auf die gesellschaftliche Szene von Graz Einfluß nahm. Der ideenreiche Architekt arrangierte in seinem Coliseum Kongresse und Tanzveranstaltungen, die weit über Graz hinaus beträchtliches Aufsehen erregten. So war es auch der geschäftstüchtige Architekt Withalm, der rasch die städtebaulich wichtige Gelenksituation des Bauplatzes am Murplatz, am Kreuzungspunkt der wichtigsten Brückenverbindung mit der neuen Kaistraße, erkannte. Er plante an dieser Stelle ein nobles Cafèhaus, entsprechend der damals in Entwicklung begriffenen Ingenieurbauweise in Form eines zweigeschossigen Grußeisenskelettbaues.

Dieses sehr bald als "Eisernes Haus" bezeichnete Projekt erregte offenbar ebenso wie das Coliseum Aufsehen im damals spätbiedermeierlichen Graz. [...] Der Vedutenmaler Johann Vincenz Reim malte in einer seiner 43 Graz-Ansichten "Das Haus von Eisen in Gratz" im ursprünglich geplanten Zustand als zweigeschossigen Eisenskelettbau.
Image: Haus von Eisen, Gratz Withalm selbst nahm vermutlich aus Sicherheitsgründen eine Veränderung des ersten Planprojektes vor, indem er das Erdgeschoß und das darüberliegende Zwischengeschoß in Ziegelmauerwerk aufführen und nur das eigentliche Cafèhausgeschoß als Gußeisenskelett herstellen ließ. Dies beweisen eindeutig die vorhandenen Bauakte und Ausführungspläne. Der als "neues Bauprojekt von dem Hause Nr. 499 in der Murvorstadt" bezeichnete und von Withalm signierte Grundrißplan zeigt deutlich das Mauerwerk im Erdgeschoß und das Eisenskelett im Obergeschoß. Das Datum am Planstempel lautet auf 14. Februar 1846. [...]
Wie präsentierte sich nun das fertiggestellte Eiserne Haus? Der durch die Regulierungslinie sehr schmale Baukörper schloß direkt an die früher hinter den abgebrochenen Häusern in der Brückenzeile verlaufende Reiche an, das Grundstück der Reiche selbst wurde als Hofraum dem Neubau zugeordnet.
Ein an der Fassade umlaufender Balkon akzentuierte die Fuge zwischen den gemauerten Untergeschossen und dem zarten, pavillonartigen Eisenaufbau des Obergeschosses, das durch eine flache Dachterrasse nach oben abgeschlossen war. Die Aufschließung erfolgte über eine in der Mitte, aber an der Rückseite des Gebäudes liegende Wendeltreppe, die vom Keller bis zum Dachgeschoß führte. Über dem Ausgang zur Dachterrasse befand sich eine weitere, um ein Geschoß höher liegende kleine Dachterrasse. Während sich im südöstlichen Teil des Kellers ein Gastlokal mit eigenem Zugang vom Kai befand, waren im Erdgeschoß durch gemauerte Zwischenwände getrennte Verkaufslokale angeordnet. Das gesamte, über einem niederen Zwischengeschoß befindliche Obergeschoß diente als Caféhaus, das nur durch dünne Wandscheiben in verschieden große Räume geteilt war. Durch die in diesem Bereich transparente Glas-Gußeisen-Konstruktion bot sich ein freier Blick auf den Murvorstadtplatz, auf den Stadtkern und auf den Schloßberg. Bei Schönwetter konnte die große Dachterrasse in den Caféhausbetrieb miteinbezogen werden. Das "Café Meran" zählte zu den poulärsten Grazer Caféhäusern.

Gerade die Dachterrasse aber war es, die bereits drei Jahre nach Fertigstellung des "Eisernen Hauses des Herrn Johann Benedikt Wihalm" einem herkömmlichen Dachstuhl weichen mußte. An der Terrassenkonstruktion waren gefährliche Risse aufgetreten. [...] Offensichtlich verstimmt über den Verlust der Dachterrasse, verkaufte Withalm 1852 das Objekt. [...]

In der Zeit zwischen 1870 uns 1900 ist J. Hüttenbrenner als Besitzer des Eisernen Hauses angegeben. Während dieser Zeit sind außer der Herausnahme einiger Mauern im Erdgeschoß zur Vergrößerung der dort befindlichen Geschäftslokale kaum nennenswerte Umbauten bekannt. Ein Ansuchen dieser Art stammt von Franz Lechner, der mit Einverständnis des Hausbesitzers
Andreas Ritter von Hüttenbrenner um die Vergrößerung seines an der Westseite des Hauses gelegenen Geschäftslokales ansucht, wofür ihm vom Magistrat mittels Bescheid vom 8. August 1900 die Bewilligung erteilt wird. Gleichzeitig liegt ein Plan der "Ersten Grazer Dampftischlerei Johann Blahowsky" auf, der das in Holz ausgeführte Geschäftsportal zeigt.

Aufschluß über einen großen Umbau im Jahre 1906 gibt das Protokoll des Stadtrates vom 17. April 1906: "...Das sogenannte "Eiserne Haus" am Murplatz 2 wurde von der Firma "Brüder Lechner" von den Eigentümern desselben, Hüttenbrenners Erben, auf 20 Jahre abgemietet und beabsichtigen dieselben das ganze Gebäude mit Ausnahme einiger Ebenerdlokalitäten für einen eigenen Geschäftsbetrieb einzurichten.
Mit Zustimmung des Hauseigentümers sind folgende Adaptierungen vorgesehen: Die vom Lendkai zugängliche Hauptstiege wird durch eine Steinstiege ersetzt, geradarmig bis zum ersten Stock fortgesetzt, wodurch die daselbst
befindliche hölzerne Schneckenstiege entbehrlich und abgetragen wird. [...] das im Souterrain untergebrachte Gasthaus "Zum Kärntner Keller" unverändert bestehen bleibt." Damit stand die Schließung des Caféhauses fest. Das gesamte Umbauvorhaben wurde am 16. Mai 1906 bewilligt und anschließend nach den Plänen des Bau- und Zimmermeisters Josef F. Flohr ausgeführt. [...] Eine ganze Reihe von großen Umbauten und Erweiterungen brachte das Jahr 1910, vorwiegend durch den Bau- und Zimmermeister Josef F. Flohr. Vom 26. Juli liegt die Bewilligung eines Ansuchens der Brüder Lechner vor, an der östlichen Seite des in der Mitte liegenden Hauseinganges anstelle der dort befindlichen vier Geschäftsportale ein einheitliches, von der Dampftischlerei Johann Blahowsky gefertigtes Portal aufzustellen. Im selben Jahr plante die Firma Lechner nach dem Erwerb des nördlichen Nachbarhauses Lendkai Nr. 3, dieses durch eine entsprechende Umgestaltung der bestehenden Fassade dem Charakter des Eisernen Hauses anzupassen. Laut Verhandlungsschrift vom 5. August 1910 soll diese Anpassung durch eine Angleichung der Traufhöhe und gleiche Gesimsausführung aus profiliertem Gußeisen erzielt werden. Die Fensteröffnungen im 2. Obergeschoß sollen so weit ausgebrochen werden, daß sie jenen des Eisernen Hauses entsprechen, doch sind anstatt der tragenden Gußeisenkonstruktion aus Klinkerziegeln gemauerte Pfeiler vorgesehen. Nur das bereits zur Abtragung vorgesehene Hauptportal soll in die neue Fassade einbezogen werden. Die Ausführung erfolgte jedoch nicht nach dem der Verhandlungsschrift entsprechenden Fassadenplan vom Baumeister Flohr, sondern beschränkte sich auf die Angleichung und Hebung des Traufgesimses. Im übrigen erhielt die Fassade einen eher palaisartigen Charakter, insbesondere durch den über dem Hauseingang angeordneten Balkon. Am 14. September 1910 bringen die Brüder Lechner dem Stadtrat den Kauf des Hauses Mariahilferstraße Nr. 2, dem Palais Thinnfeld, zur Kenntnis. Gleichzeitig wir der Antrag gestellt, die Geschäftsräume im Eisernen Haus durch einen Verbindungsgang mit jenen im Palais Thinnfeld zu verbinden. [...] Der Gemeinderat stimmte zu.
Nachdem die beiden an das Eiserne Haus angrenzenden Gebäude Lendkai Nr. 3 und Mariahilferstraße Nr. 2 im Jahre 1910 bereits im Besitz der Firma Lechner waren, gelangte 1914 schließlich auch das Eiserne Haus selbst in das Eigentum der sich ständig vergrößernden Firma. Damit begann nicht nur die Planung für den Umbau des Eisernen Hauses, sondern auch die Erstellung größerer Erweiterungsprojekte, denen zufolge die Häuser Mariahilferstraße Nr. 2 und Lendkai Nr. 3 dem Neubau eines Warenhauskomplexes weichen sollten. Sowohl für die Planung als auch für den Umbau zeichnete der Stadtbaumeister Johann Baltl verantwortlich.[...] Mit dem offziellen Abschluß der Umbauarbeiten durch die behördliche Endbeschau am 18. Jänner 1916 stand nicht nur das ganze Eiserne Haus, sondern auch Teile der Nachbarobjekte der vollen geschäftlichen Nutzung
der Firma Gebrüder Lechner zur Verfügung. Damit schien für die Firma jedoch erst die Grundlage für einen wesentlich großzügigeren Um- und Erweiterungsbau geschaffen zu sein. Das nun vom Baumeister Johann Baltl erstellte Warenhausprojekt sah zunächst den Abbruch des Palais Thinnfeld und des angrenzenden Hauses Mariahilferstraße Nr. 4 vor sowie eine völlige Umgestaltung der Häuser Lendkai Nr. 3 und Nr. 5. Als Vorwand für den Abbruch diente die Anpassung an die vom Magistrat festgelegte neue Regulierungslinie in der Mariahilferstraße. Auf diesem freigewordenen Areal war nun unter Einbeziehung der genannten Nachbarobjekte ein dreigeschossiges Kaufhaus geplant, dessen Mittelpunkt eine durch alle Geschosse reichende, glasüberdeckte Halle bilden sollte. Die Halle, der wahrscheinlich die nach 1912 nach Plänen der Wiener Architekten Fellner und Helmer errichteten Geschäftshalle der Firma Kastner & Öhler als Vorbild diente, war im bestehenden Hof zwischen dem Eisernen Haus und dem Haus Lendkai Nr. 5 vorgesehen.[...] Die vorhandenen Pläne bildeten die Grundlage für die am 3. November 1916 stattgefundene Kommissionsverhandlung und wurden am 1. Dezember dem Kunstbeirat der Landeshauptstadt vorgelegt.
War es der Kunstbeirat, der das Projekt wegen des damit verbundenen Abbruchs des Thinnfeld´schen Palais ablehnte, oder war es der erste Weltkrieg, der das Projekt zu Fall brachte, die vorhandenen Bauakten schweigen darüber! In den folgenden Jahren blieb es ruhig um das Eiserne Haus. Einzige bauliche Veränderung war der Einbau eines Personenaufzugs. 1931 übernahm die Firma Kastner & Öhler das Warenhaus, führte es jedoch unter der alten Frimenbezeichnung "Brüder Lechner" weiter. Die nunmehrige Firmenleitung veranlaßte dem neuen Stand der Technik entsprechende bauliche Veränderungen. So wurden nun in allen Geschossen auch die tragenden Innenmauern entfernt und durch Stahlbetonstützen ersetzt. [...] Die beiden bestehenden Treppenarme,
die das Kaufhaus von der Ost- und Westseite her erschlossen, wurden durch eine in der Mitte liegende, dreiarmige, platzsparende Treppe ersetzt. Im Zuge der Umbauarbeiten wurden auch weitere Teile der Häuser Lendkai Nr. 3 und Nr. 5 vermehrt in den Warenhauskomplex einbezogen. So entwickelte sich im Laufe fast eines Jahrhunderts aus dem "Withalm´schen Caféhaus" und einem kleineren Modewarengeschäft ein Kaufhaus, dessen ständige Expansion laufend Um- und Erweiterungsbauten erforderlich machten, bis schließlich von der ursprünglichen Bausubstanz nur mehr die äußere Hülle, die Fassade übrigblieb. Dieser aber begann man nun im Sommer 1931 an den Leib zu rücken. Die Westfassade des Eisernen Hauses wurde nach Plänen des Architekten Bruno Fiedler derart umgestaltet, daß von der Gußeisenarchitektur in diesem Bereich nichts erhalten blieb (Endbeschau 16. 3. 1932). Wie einem Schreiben des Denkmalamtes vom 27. Oktober 1931 zu entnehmen ist, "...schließt der gegenwärtige Stand des Umbaues grundlegende Änderungen aus, doch wolle der Stadtrat zur Bedingung machen, daß der Anschluß der Front zur Mariahilferstraße mit möglichster Rücksicht auf Gesamtform und Dachausmittlung hergestellt werde ...auch wäre für gute Lichtbilder des eigentlichen Eisernen Hauses zu sorgen". Glücklicherweise blieb mehr als nur ein Lichtbild von der ursprünglichen Fassade des Eisernen Hauses erhalten, obwohl bereits ein halbes Jahr später die Bauverhandlung über die weitere Fassadenumgestaltung nach dem Vorbild (!) der Westfassade stattfand. Obwohl Schlimmstes verhindert werden konnte, wurde die Fassade durch kleinere "Modernisierungsarbeiten" in den letzten Jahren stark beeinträchtigt. 1936 wurden die hölzernen Schaufensterrahmungen durch solche aus Metall ersetzt. Im Jahre 1950 nahm man die Holzverschalung von der Balkonuntersicht ab und ersetzte sie durch Verputz. Das Eiseren Haus, als durchsichtige und zarte Glas-Eisen-Konstruktion konzipiert, wurde durch die immer wiederkehrenden baulichen Veränderungen zu einem undurchsichtigen und abweisenden Baukörper. Eine Wiederherstellung zerstörter Bausubstanz dürfte nicht auf den Fassadenbereich beschränkt bleiben, sondern müßte auch der ursprünglich durch die Wahl des Materials gewollten Transparenz des Obergeschosses Rechnung tragen. Die Einrichtung eines Aussichtscafés oder die Verlegung der im Erdgeschoß befindlichen Gasstätte entspräche nicht zuletzt der anfangs diesem Gebäude zugedachten Funktion. Nur durch eine tiefgreifende Restaurierung könnte das Eiserne Haus im doppelten Sinne wieder zu einem Kulturdenkmal der Stadt Graz werden: Als frühes in Graz entstandenes Baudenkmal des hereinbrechenden Ingenieurzeitalters und als Erinnerung an den wohl zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Architekten dieses neuen Zeitgeistes, Johann Benedikt Withalm.

Friedrich Bouvier, Das "Eiserne Haus". In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Band 10, Graz 1978